siebenjahreeinsamkeit

(ein)sichten aus der schwulen diaspora

Tag: liebe

advent

vor weihnachten wird mir immer besonders klar, was es bedeutet, wenn einer alleine ist. wenn ich alleine bin. gestern, als ich mit dem zug durch die welt fuhr, habe ich an jedem haltebahnhof pärchen gesehen, die sich begrüßt haben. leidenschaftlich, erwartungsvoll. es gab umarmung, küsse, einmal offensichtlich freudentränen. ich kam nach hause und natürlich hat mich keiner vom bahnhof abgeholt. wie auch. es interessiert ja nicht mal jemanden, wo ich gerade bin oder was ich gerade mache. gestern beispielsweise hätte ich viel zu berichten gehabt. ich habe einen tollen erfolg bei der arbeit erzielt, habe etwas für mich wichtiges verändert. aber wem soll ich es erzählen?

ich würde gern mal was anderes schreiben. von einer tollen begegnung. von verliebt sein. von jemand, der sich für mich interessiert. mit dem etwas beginnen kann. der freude an mir, lust auf mich hat. dem ich etwas bedeute und der das auch zeigt. und andersrum. aber diese geschichte scheint es für viele menschen zu geben, für mich nicht. das macht mich unendlich einsam, unendlich traurig und erschöpft. ich stehe wieder am rand des spielfelds, verstehe die regeln nicht und kann das spiel, das so viele fröhlich spielen, nicht mitmachen.

wenn ich sex haben möchte, ist das ein schwieriges unterfangen. orte wie schwule saunen und cruising im park entsprechen mir nicht, so dass mir entweder die einschlägigen tanzveranstaltungen oder die diversen onlineplattformen bleiben. ersteres ist, wenn man nicht gerade auf leder und bären steht, für jemand über 25 (und damit meine ich alter und/oder bmi) aussichtslos. man kann sich natürlich bis zum schluss auf so einer party aufhalten und hoffen, dass man als restefick herhalten kann, dazu muss man aber auch viel von der eigenen würde verloren haben. und zeit haben auch.

bei gayromeo und konsorten braucht man vor allem drei sachen: geduld, ausnehmend gute nerven und kaltschnäuzigkeit (es gilt dabei auch wieder die einschränkung mit alter und bmi. ein freund von mir ist 22, blond und schlank und hatte in den letzten drei tagen mehr sexuelle kontakte als ich in den letzten zwei jahren).

grindr ist eigentlich einfach: man muss auf jeden fall mindestens fünf komplettnacktbilder mit pimmel drauf haben, um überhaupt irgendwie als potentieller fuckbuddy interessant zu sein. kennenlernen und reden lieber nicht. auch ist wichtig, dass man neben muskeln (viel) und körperfett (wenig) über eine überdurchschnittliche genitale ausstattung verfügt. natürlich muss man immer bereit sein und alle positionen und spielarten wie aus dem ff beherrschen und toll finden. das sind die mindeststandards, die es zu erfüllen gilt, um überhaupt mitspielen zu dürfen.

gayromeo ist so ähnlich, nur mit ein bisschen mehr drumherum. auch hier gilt es offensichtlich, seine fuckability im vorfeld zu beweisen. dass sex etwas ist, dass zwischen menschen entsteht, in situationen, die mit diesen menschen zu tun haben, scheint entweder eine besonders perverse orientierung zu sein, die neben mir nur sehr wenig menschen spannend finden oder das portal gibt es nicht her. auf jeden fall verbraucht man unglaublich viel zeit, muss sich mit viel unzuverlässigkeit und hierarchischer und schlechter kommunikation auseinandersetzen und es läuft am ende – bei vielen, nehme ich an, nichts.

freunde* von mir sagen mir an der stelle immer gern, dass ich die falsche einstellung habe. ich solle doch entspannt damit umgehen, keinen sex und seit 14 jahren keine bezienung zu haben. andere hätten das auch und denen würde es nicht so schlecht damit gehen, was ja der beweis dafür ist, dass es natürlich nur an meiner einstellung liegt, dass es mir nicht gut geht. da mag was dran sein und ich teile diese haltung für viele andere lebensbereiche. wenn jemand anders statt meiner einen job kriegt, wenn ich nicht die ergebnisse beim sport oder in einem test erziele, dann ist es vielleicht wirklich sinnvoll, an der haltung zu arbeiten. wenn es aber um ein grundbedürfnis – sexualität, körperliche nähe, seelische nähe, zugehörigkeit – geht, dann kriegt das schnell eine problematische perspektive. und es tut mir weh, weil ich in den momenten, in denen ich darüber rede, meistens eher unterstützung brauchen würde und nicht härte. dass so eine perspektive in der regel von menschen eingenommen wird, die selber in einer beziehung sind, die sexuelle kontakte haben, liegt auf der hand.

die frage ist, was zu tun wäre. so habe ich mir mein leben nicht vorgestellt. und so will ich es auch nicht leben. ich will nicht immer allein sein, immer hoffen müssen, dass sich vielleicht mal einer findet, der ausnahmsweise bock auf sex mit mir hat (wie gnädig! danke!). ich möchte auch gern mit jemandem zusammen sein, etwas schaffen, zukunft gestalten und nähe spüren.

aber: wenn es so weiter geht, dann wird es wohl nie passieren.

 

manchmal frage ich mich

und das meine ich ganz ernst: ich frage mich danach, warum ich das eigentlich alles mache. oder gemacht habe. das coming-out, was wirklich ein schwerer und harter weg war. ich habe keine liberale familie, ich komme richtig vom land und musste einiges einstecken. ich habe mir einen festen standpunkt dahingehend erkämpft, aber diesen kampf möchte ich nicht nochmal kämpfen.

dann die politische arbeit. die vielen termine. die konflikte in vorständen. die versuche, gelder zu finden, um die arbeit zu finanzieren. pressemitteilungen zu den unmöglichsten uhrzeiten. sitzungen in irgendwelchen vollkommen überflüssigen gremien. redebeiträge auf demos. vorträge. und so weiter. ich mache das an sich gern. und auch alles gern in meiner freiezeit. aber manchmal frage ich mich: warum? wozu?

sicher: ich habe einiges erreicht. viele verbesserungen. veränderungen. ich bin nicht unwirksam bei dem, was ich tue. menschen schätzen mich. als redner, schreiber, geldorganisierer, vorstand und vorgesetzten. und ohne meine eigene biographie könnte ich diese arbeit nicht machen. weil sie natürlich auch einen standpunkt braucht, der über “irgendwie gegen diskriminierung sein” hinausgeht.

und doch: selbst in dieser form des öffentlich-seins, diesen vielen sichtbaren momenten habe ich keinen anderen mann kennengelernt, der sich für mich interessiert. gestern war ich in einer größeren runde unterwegs. alle haben von ihren neuesten dates erzählt, wie schön und spannend. ich habe nicht dazugehört zu dieser runde. ich habe keine dates. weil sich keiner mit mir daten will. weil mir als mensch wohl niemand die menge interesse entgegenbringt, die es dafür braucht. es ist, als ob ich müde belächelt werde, wenn ich den versuch mache, jemanden zum kaffeetrinken einzuladen. klar, ich bin kein adonis. und nicht mehr 25. aber was muss man denn alles leisten, um als interessanter mensch wahrgenommen zu werden?

inzwischen gehe ich davon aus, dass ich den rest meines lebens ohne liebe verbringen muss (konservativ geschätzt noch etwa 39 jahre) es sei denn, ich kaufe sie mir ab und an für ein paar stunden. aber zu diesem schritt bin ich noch nicht bereit. das heißt: kein gemeinsames einschlafen, kein sex, keine umarmung, kein interesse an dem, was mir wichtig ist. so ist es jetzt schon weit über ein jahrzehnt. und ich wünsche es meinem ärgsten feind nicht, so leben zu müssen. zwischen parship, gayroyal und annoncen. zwischen zermürbenden chats mit sozial inkompatiblen menschen und irgendwelchen pimmelbildchen. zwischen der abendlichen einsamkeit und dem langsamen verstummen, wenn es um die eigene gefühlslage geht. mit der jedes mal aufs neue enttäuschten hoffnung, dass es dieses mal klappen könnte. (gut, einer gruppe wünsche ich das vielleicht schon: denen, die immer dieses “du musst dich nur selber lieben….”gewäsch absondern. ich kann es nicht mehr hören. und es ist einfach auch eine lüge).

aber natürlich gibt es auch lichtblicke: gestern habe ich ein sehr jjunges schwules paar gesehen. 16, 17 jahre vielleicht. öffentlich in der öffentlichkeit. das ist wirklich eine veränderung zu der zeit, in der ich groß geworden bin. eine, die mich glücklich macht.

frohe ostern.

 

 

von der frustration

ich war eben im fitnessstudio. ich bilde mir ja nach wie vor ein, wenn ich viel sport mache und wenig esse, bekomme ich so einen körper, der irgendeinen anderen mann vielleicht wenigstens interessiert. an der stelle bin ich reichlich irrational, weil empirisch gesehen weder die prämisse noch die ableitung in irgendeiner form zu halten sind. mein körper ist eine zumutung, egal, wie sehr ich mich mühe, er bleibt unansehnlich. und offensichtlich könnte ich auch aussehen wie ein supersportler, selbst dann würde  vermutlich kein typ in irgendeiner form bock drauf haben, mich kennenzulernen oder – das wäre der gipfel – anzufassen.

zugegeben, ich bin wirklich neidisch auf männer, die einfach toll aussehen und dann nicht abgelehnt werden. mich frustriert das, an der stelle so deprivilegiert zu sein: nicht jung, nicht dünn, nicht sportlich. und scheinbar zählt ja genau das. ein bekannter sagte mir: das aussehen entscheidet, wer zusammenkommt. so scheint es zu sein. und ich habe keine ahnung mehr, was ich dahingehend noch machen soll.

ich hatte eine anzeige aufgegeben. sehr offen und einfach gehalten. es haben sich wenige gemeldet. mit zwei wurde der kontakt intensiver, wir haben mails geschrieben und es wurde wirklich erfreulich und persönlich. der eine hat dann, von einem tag auf den anderen, den kontakt abgebrochen. auf meine nachfrage bekam ich keine antwort. meine phantasie: es gab vermutlich mal wieder jemand, der einfach besser war. und ich darf dann schön zurück auf den zweiten platz.

der andere kontakt dünnt sich gerade aus. als klar wurde, dass die andere person vor nicht einmal acht wochen von ihrem partner verlassen wurde, mit dem sie 15 jahre zusammen war, bin ich vorsichtig geworden. ich möchte kein lückenbüßer in einer konstellation sein, in der es eigentlich um jemand anderen geht. ich habe das als offen formuliert und seitdem ist auch da irgendwie sense.

natürlich, ich höre es schon: das hat immer was mit einem selbst zu tun. klar, die anderen sind alle ganz dufte, knorke und nur ich vergeige es. wegen zu wenig selbstliebe, zu wenig klarheit usw. gründe findet man immer. komisch nur, dass in meinem umfeld alle jemanden haben. entweder bin ich nicht nur unansehnlich sondern auch derart verkorkst, dass es keiner mit mir aushält. oder die these stimmt nur bedingt. keine ahnung.

manchmal stelle ich mir vor, wie das wäre: jemanden kennenlernen, einfach so. im leben. merken, wie es näher wird. die erste körperliche annäherung. gemeinsame zeit. gemeinsame erlebnisse. verliebt sein. vielleicht liebe. und damit auch: wenigstens ab und zu körperliche nähe. nicht nur sex (aber natürlich auch). sondern auch diese sachen wie umarmt zu werden. gehalten zu werden und zu halten. ich habe mit leuten darüber geredet, die sich dann gar nicht vorstellen konnten, wie es ist, weder sex noch körperliche nähe zu erleben. über jahre. ich hätte mir das auch nie träumen lassen. aber selbst darüber zu schreiben macht es nicht besser. danach umarmt mich auch keiner. fragt auch niemand, wie es mir geht. oder ob ich lust auf kuscheln habe.

und so beginnt ein weiteres jahr wie schon so viele geendet und begonnen haben. wie lange die kraft dafür noch reicht, weiß ich nicht

weihnachten

weihnachten ist immer herausfordernd. seit vielen jahren schon. die freund_innen sind alle mit ihren beziehungen unterwegs. ist klar, würde ich an weihnachten auch so machen. und da ich in meinem freundeskreis offensichtlich der einzige ist, der es nicht hinkriegt, geliebt zu werden oder wenigstens jemand zu haben, der irgendeine art von interesse an mir zu haben scheint, bin ich – wie immer – allein. natürlich könnte ich mich mit einem dieser paare verabreden und dann als nummer drei mit-weihnachten. aber gerade dieses mit-dabei-sein, zu sehen, dass man aus einem intimeren raum, den die beiden anderen beiden personen teilen, letztlich ausgeschlossen bleibt (nicht, weil diese leute doof sind. ihnen gilt kein vorwurf. aber als der übrige in so einer konstellation hat man einfach schon systematisch so einen platz), ist auch nicht gerade das, was ich mir so vorstelle.

wenn ich so auf dieses jahr zurückschaue, dann sehe ich ein sehr ambivalentes bild: ich bin erfolgreich im beruf. beliebt bin ich dort auch, wo ich arbeite. mir gelingt viel, ich kann dinge bewegen, menschen interessieren sich für meine arbeit. auch ehrenamtlich ist das so. ich habe da einiges bewegt, wo ich mich engagiere und denke, dass es gut war.

an anderen stellen bin ich grandios gescheitert. alle versuche, einen einigermaßen erträglichen und ansehnlichen körper zu bekommen, sind gescheitert. egal, wie viel sport ich mache, wie ich mich ernähre, wie viel mühe ich mir auch gebe – einen idealen körper werde ich wohl nie bekommen. vielleicht ist das in einem bestimmten alter auch vorbei.

ebenfalls gescheitert sind die meisten versuche, andere schwule männer kennenzulernen. ich habe viel geheucheltes interesse erlebt. viele leute, die sich angeblich wahnsinnig für mich interessieren, die sich dann aber seltsamerweise nicht mehr gemeldet haben. mein versuch, beim schwulen sportverein und im schwulen chor mitzumachen, sind irgendwie gescheitert. (die leute vom sportverein beantworten keinerlei anfragen, spannenderweise sind aber zwei freunde von mir dort mit offenen armen empfangen worden. die sind auch beide wesentlich jünger und dünn und trainiert).

letztlich ist es auch egal. offensichtlich ist es schwierig, es mit mir auszuhalten, auch wenn es nur einmal in der woche für eine stunde ist. erstaunlich insofern, dass es in anderen kontexten, meistens nicht dezidiert schwulen, genau das gegenteil ist.

was ich auch nicht mehr aushalten kann, sind diese dümmlichen “selbstliebe”-floskeln. ich bin vielleicht nicht an allen stellen klar mit mir, aber im großen und ganzen habe ich meine hausaufgaben gemacht. ich weiß, dass ich stärken und schwächen habe. und ich glaube nicht, dass man sich selber megageil oder liebens- und begehrenswert finden kann, wenn einem permanent das gegenteil vermittelt wird. wenn man immer der zweite und nie der erste ist, kann man irgendwann nicht mehr glauben, dass man auch mal der erste sein könnte. ich zumindest kann es nicht. und ich glaube auch nicht, dass menschen vollkommen unberührt von den sozialen reaktionen auf sie leben oder empfinden.

natürlich ist mir klar, dass ich eigene anteile an der situation habe. ich glaube, dass ich mich nicht immer sehr schnell auf neue menschen und situationen einlassen kann. manchmal brauche ich dafür einen moment. ich glaube aber auch, dass man in einer guten partnerschaft über genau so etwas reden könnte. ich erwarte doch auch kein gegenüber, das perfekt ist sondern einen menschen, der seine lebensgeschichte mitbringt. gerade das macht menschen ja überhaupt erst interessant.

ich habe mich vor einigen wochen mit einer freundin darüber unterhalten, wie ich mir wünsche, einen mann kennenzulernen. das gespräch war sehr erhellend. ich erzählte, dass ich mir wünsche, den menschen, in den ich mich verlieben würde und der sich in mich verlieben würde, einfach in meinem leben kennenlernen möchte. da, wo ich arbeite, freizeit verbringe, lebe. und dass das offensichtlich, ob der kompletten digitalisierung des kennenlernens, vermutlich ein sehr exotisches unterfangen wäre. die gute freundin lachte mich liebevoll aus und meinte, dass sie das für ein ganz normales wünschen und auch einen ganz normalen vorgang halte.

letztlich ist das genau mein wunsch: einen menschen kennenzulernen und dann die erfahrung zu machen, dass daraus mehr entsteht, dass sich verliebtsein einstellt und liebe entwickelt.

vermutlich habe ich inzwischen keine chance mehr darauf. wer will schon einen typen, der die endgültige magische grenze von 40 jahren überschritten hat und schon so lange alleine ist? offensichtlich – oder anders gesagt: empirisch – wohl keiner. ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalten kann.

fröhliche weihnachten

ich will’s, ich mach’s

bei mir um die ecke hängt so eine riesenplakatwand und darauf sind zur zeit plakate der kampagne machsmit. genauer: ein typ, der es mit herzklopfen macht und eine frau, die es mit ihrem mann macht. die kampagne ist die fortsetzung der ich will’s-serie (zum beispiel mit diesem motiv).  ich find die kampagne gut, weil sie sexpositiv ist und weil sie zeigt, dass sehr unterschiedliche leute sex haben – also mit bestimmten stereotypen vorstellungen von jugendlichkeit etc. durchaus kritisch umgeht.

und bei all dem positiven kriege ich jedes mal einen, wenn ich das sehe, einen kleinen stich und frage mich, wie sich das wohl anfühlt, zumindest ab und an sex zu haben. und nicht jedesmal wochenlang irgendwelche dates zu suchen, die dann in der regel doch nicht hinhauen. oder gar die krönung: jemand, der gern und öfter mit mir sex haben würde. vielleicht sogar mit emotionen. der vielleicht sogar eine art beziehung mit mir eingehen…. nein. das führt vermutlich zu weit. das kann ich inzwischen, nach elf jahren ohne all das, nicht mehr erwarten. wahrscheinlich kann ich froh sein, wenn ich ab und zu noch einen abkriege. und das macht mich einfach sehr traurig. und dann werde ich wütend, weil ich so viele kenne, die natürlich einfach viel besser aussehen als ich und die einfach regelmäßig jemand finden oder haben, mit dem sie körperliche nähe austauschen können. für die das so normal ist und die mir erzählen, dass sie gar nicht verstehen, wie ich das aushalte. (vielen dank übrigens. vielleicht ist es ja wirklich sehr schwierig auszuhalten und ich hätte es gern anders). aber scheinbar ist irgendwas an mir, das die leute von mir wegtreibt.

lost feelings

manchmal überlege ich, wie das wohl so wäre. also wenn da einer wäre. einer, der abends mal fragt, wie mein tag war. der mich in den arm nehmen möchte. der sich darauf freut, mich zu sehen. mir vormittags eine sms schickt, dass er sich auf eine heiße nacht mit mir freut. der mit mir lachen und weinen möchte.

einer, auf den ich mich freue. den ich schon vermisse, wenn er gerade gegangen ist. mit dem ich mich streiten und versöhnen kann, der interessen an mir hat und ich an ihm. dem an mir so viel liegt, dass er ein paar mit mir sein will. und der es auch so meint.

es ist schon sehr lange her, dass ich so etwas erlebt habe. so lange, dass ich mich nicht mehr erinnern kann, wie sich das anfühlt. so lange, dass ich mir immer weniger vorstellen kann, dass es jemals geschehen wird.

natürlich weiß ich, dass ich keinen anspruch darauf habe, dass mich jemand liebt. oder dass mich jemand begehrt. oder sich auf mich einlassen will. wahrscheinlich muss ich einfach lernen damit zu leben, nie gut genug für irgendjemand gewesen zu sein.

guten tag,

ich hätte gern bitte eine liebesbeziehung, spätere heirat wird nicht ausgeschlossen. danke

anders? besser?

gestern habe ich mal wieder einen längeren ausflug in die gayromeo-welt gemacht. habe viele profile angeschaut. bilder gesehen, wenn vorhanden, texte gelesen. und gemerkt: es berührt mich kaum noch. ich finde es nahezu eher skurril, wenn in einer schon fast berechenbaren häufigkeit bestimmte sequenzen auftauchen. neben den klassikern (“du musst mich anschreiben, ich antworte aber nur vielleicht, wenn ich interesse habe” – “nur rasierte/dünne/junge/komplett flexible typen” – und mein lieblingsklassiker: “nur heterolike. ich steh ja nicht auf frauen”) und den oft fast verzweifelt wirkenden versuchen, sich selber als polyglott, superheiß und innerlich mindestens 15 jahre jünger als es im pass steht zu beschreiben (“ich, 50, wirke wie 30, suche boys bis 25 für gleichwertige beziehung auf augenhöhe”) wirkt es fast schon bieder, wenn jemand einfach ein paar sachen in seinem profil beschreibt, die ihn interessieren. und er darauf aufmerksam macht, dass er gern andere leute kennenlernen würde. was natürlich aus marketing-strategischen aspekten total schlecht ist. viele scheinen zu denken, dass eine scheinbare unverfügbarkeit sie wahnsinnig interessant macht. nun, wenn das das einzige, das jemanden interessant macht, kanns ja nicht weit her sein.

mir sind die regeln schon klar, und ich kann auch vieles verstehen, was da passiert. leute, die über 30 sind, haben es in der regel schwer, in einer sehr auf optik orientierten umgebung mit 19jährigen mitzuhalten. hey, möchte man sagen, lern es zu akzeptieren. dein körper wird nie wieder so aussehen wie früher. und wenn doch, dann nicht für lang. und du wirst sehr viel zeit damit verbringen müssen, ihn so weit zu kriegen. nun kann man blöderweise nicht verordnen, dass jemand sich mag. oder mit seinem körper zufrieden ist. das kann man nur aus sich heraus entwickeln. ich konnte das sehr lange zeit nicht. ich habe meinen körper als zumutung empfunden, war mir sicher, dass alle anderen mich irgendwo zwischen hässlich, abstoßend und ekelerregend einordnen würden. und falls doch jemand an mir interessiert war, dann gab es dafür sicherlich gute gründe, die alle nichts mit mir zu tun hatten (braucht sex und findet keinen/will jemand was heimzahlen/hat einen mysteriösen fetisch/….). das führte dazu, dass ich extrem darauf fixiert war, bestätigung von außen zu bekommen, die mich hätte versichern sollen, dass ich okay bin. was natürlich nicht ging. denn was innen nicht klappt, kann von außen nicht besser werden.

wenn leute mir gesagt haben, dass ich aus mir selber heraus entwickeln muss, dass ich gut bin, mich selber schön finden soll, dann habe ich mich sehr dagegen verwehrt. weil ich es nicht konnte. es hat mich überfordert, es war wie ein schlag. statt “du bist gut und das ist das gefühl, das du entwickeln musst” hörte ich “du bist falsch. und deshalb selber an allem schuld”. ich denke nach wie vor, dass gerade in den schwulen szenen ein sehr verengtes bild auf körperlichkeit vorherrscht. und ich finde das auch nach wie vor kritisch und unreflektiert. das phantasma der vollständigen körper-veränderungs-möglichkeiten schlägt auch da voll durch und wenn man sich immer schön einredet, dass jeder genau beeinflussen kann, wie er aussieht, dann hat man ein prima mittel, andere zu diskriminieren. man kann es übrigens nicht. also beeinflussen. zumindest nicht nachhaltig.

ich merke, wie sich mein empfinden ändert. mein körper und ich leben in einer inzwischen sehr friedlichen ko-existenz. manchmal nervt er mich, manchmal ich ihn. aber dass er nicht aussieht wie der eines 22jährigen leistungssportlers, das habe ich ihm schon lange verziehen. der weg dahin war für mich sehr hart. eigene grenzen zu akzeptieren ist nicht meine stärke. in diesem fall aber merke ich, wie viel entspannter das alles ist. in diesem sinne: love your body – and let your body be loved.

natürlich könnte ich

ich könnte. wirklich. ich könnte versuchen, abzunehmen. die ersten grauen stellen auf dem kopf überfärben lassen. ich könnte mir hippe klamotten kaufen, mir ein gayromeoprofil anlegen, in dem ich allen zeige, was ich für einen tollen body habe,in dem steht, dass ich zu allem immer und jederzeit bereit bin. ich könnte auf partys gehen, die man, wenn man es freundlich meint, als fleischgroßhandel bezeichnen würde. oder auf solche, die ein motto haben, das man dringend einhalten muss, wenn man mitmachen möchte. ich könnte nicht mehr heinz-rudolf kunze oder dark wave mögen sondern irgendwas aus den charts oder aber electro-minimal-pop. meine freizeit nicht mehr mit lesen verbringen sondern mit shoppen.

natürlich. überzeichnet. und das mit absicht. aber angesichts der massenhaft über 40jährigen “boys” auf den fuck-away-seiten, angesichts der wahnsinnig fettfreien muskelkörper oder “richtigen bären”, die scheinbar das kamasutra in alle richtungen beherrschen und immer genau an den richtigen stellen rasiert sind, frage ich mich immer öfter, wie ich das aushalten kann.

denn natürlich habe ich wenig interesse daran, anders zu sein. ich mag mich in weiten teilen (okay – sagen wir: ich finde je nach tagesform, dass ich okay bin oder zumindest gut auszuhalten). ich mag das, was ich in meinem leben tue. ich finde bücher wirklich spannender als laute musik nach mitternacht. ich mag deutschlandradio, ich gehe gern zu vorträgen und finde politik spannend. und geschichte auch. das heißt nicht, dass ich menschen nicht mag. im gegenteil. ich finde menschen spannend. aber eben eher die, die was zu sagen haben.

vor einigen tagen war ich zu einer wohnungsparty eingeladen. eine gute bekannte, mit der ich mich lange unterhalten habe, sagte mir: du bist vielleicht einfach zu klug. ich habe dem erstmal keine beachtung geschenkt, aber heute, einige tage später merke ich, wie sehr mich das beschäftigt. es stimmt, dass mir denken leicht fällt. ich kann da nicht viel dafür oder dagegen machen. andere leute können toll bodenturnen. oder geige spielen. beides ist mir nicht gegeben. bei sportarten, die komplexe bewegungsabläufe erfordern, bin ich ein totalausfall. und okay, eine geige hatte ich noch nie in der hand. aber darum gehts ja eigentlich auch gar nicht. es geht vielmehr um die frage, was ich mit so einer aussage anfange. oder welche bedeutung ich daraus interpretiere. ich weiß, dass intellekt einschüchern kann. und menschen irritieren kann. ich könnte mich natürlich dumm stellen. aber das, glaube ich, würde auch irgendwie schief gehen.

gleichzeitig habe ich keine lust mehr, immer der zu sein, der ohne partner rumrennt. in meinem freundeskreis bin ich nahezu der einzige. da gibt es noch zwei andere – eine sagte mir vor ein paar monaten, dass es kaum auszuhalten wäre, sie hätte schon seit sechs monaten (!) keine beziehung mehr. das ist tragisch. und ich kann da nur noch zynisch werden.

und es geht mir – um missverständnisse zu vermeiden – nicht darum, einfach “jemand” zu haben. der wunsch ist, mit jemand etwas gemeinsames zu entwickeln. in eine enge emotionale beziehung zu treten (und ja ich weiß, das kann ganz schrecklich anstrengend sein und ganz viel stress machen und so weiter), seelisch und körperlich nähe zu teilen. je älter ich werde, desto mehr angst habe ich davor, dass das nie mehr passiert. weil es immer schwieriger wird, andere schwule männer kennenzulernen. es sei denn, man zieht nach köln. oder berlin. und geht dann auf partys, deren musik man nicht mag. oder was weiß ich.

und weil ich nicht wusste, wohin mit dieser ganzen trauer, der sehnsucht, dieser ganzen angst und dieser vielen einsamkeit, steht es jetzt eben hier.